Susanne Gau
Familienberatung

Susanne Gau

Beraterin für Kinder, Jugendliche und Familien

Sprechen Sie mit mir

Familienzeit im Herbst

(veröffentlicht in der MEILE bewegt Ausgabe No.143 Herbst/Winter 2022/23)

In diesem Jahr ist der Herbst sozusagen über Nacht gekommen. Mitte September saß ich mit meiner Tochter, sie ist mittlerweile Erwachsen, noch draußen, bis in die Dunkelheit hinein, ohne zu frieren. Am folgenden Tag kam der langersehnte Regen mit einem rapiden Temperaturabfall. Seit dem sind die Tage kürzer geworden, die Temperaturen gesunken und ein warmer Tee oder der warme Ofen tun nicht nur dem Körper gut, sondern auch der Seele. Dabei fühlen wir uns geborgen und wohl, empfinden Schönheit. Wärme von außen, die auch hilfreich ist innerliche Wärme zu entwickeln, die dann wiederum nach außen strahlen und wärmen kann.

Mit dem Herbst und der damit verbundenen zunehmenden Dunkelheit, ist es besonders wichtig unser inneres Licht, unsere Freude, Lebendigkeit und Liebe zu erhalten. Dabei kann es hilfreich sein, mit der Jahreszeit zu schwingen und uns der Herbststimmung bewusst zu werden und sie verinnerlichen.

In der Natur bringt der Herbst seine letzten Früchte hervor, bevor sich die Kräfte zurückziehen, im verborgenen wirken, um den Frühling vorzubereiten. Aber jetzt beginnt erst einmal eine Phase der Ruhe. Das Licht des Herbstes ist gedämpfter, wärmer in der Farbqualität als im Sommer, genauso die Farben des Laubes, der Wiesen und letztendlich der Felder, mit ihrer braunen, manchmal sogar fast schwarzen Erde. Die Natur lädt uns zum ruhiger werden ein. Und wenn wir uns Zeit nehmen, in uns hineinhorchen, dann können wir diese Stimmung in uns selbst wahrnehmen. Vielleicht gelingt es uns sogar, die Schönheit darin zu empfinden,

vielleicht auch, weil wir uns mit uns selbst, der Natur und mit dem Jahreslauf verbunden fühlen, im Einklang sind.

Für Familien ist der Herbst als Übergangszeit vom Sommer zum Winter noch einmal ganz besonders. Denn mit Kindern erlebt man die Jahreszeiten und die Natur intensiver, wenn Eltern, Großeltern, Familie dafür Raum geben.

Kinder sind Entdecker und fühlen sich in der Natur wohl. Sie erleben die Jahreszeiten als völlig im Einklang mit sich, durch ihre natürliche Offenheit, besser gesagt durch ihre natürliche Spiritualität. Je Jünger das Kind ist, desto stärker verbunden fühlt es sich mit allem. So haben Kinder bis zum Grundschulalter, aber auch darüber hinaus das Empfinden mit der Natur verbunden zu sein und nehmen die Dinge wie sie sind. Je älter sie werden, je eigenständiger sie werden , je mehr nimmt diese Empfinden ab und andere Dinge werden wichtiger.

Aber auch durch die Gestaltung der ersten Lebensjahre werden Kinder geprägt und können den Zugang zur Natur schon früh verlieren und damit auch das Gefühl für die Schönheit, für sich im Zusammenhang mit der Natur. Darum ist es ein sehr wichtiger Aspekt, Kindern diesen Zugang zu bewahren, damit sie den Wert der Natur für sich, aber auch für die Erde behalten und dadurch immer mehr verstehen lernen, je älter sie werden.

In unserer anstrengenden Welt, in der alle Kinder schon sehr früh mit eingebunden sind, ist es eine wertvolle Erfahrung, den Schatz, der Beständigkeit der Natur, auch für sich als Kraftquelle und Lebensgrundlage , zu erleben und wertzuschätzen.

So ist es wunderbar den Garten mit den Kindern oder Enkelkindern für die Herbst-, Winterzeit gemeinsam schön zu machen. Ernten, Beete herrichten, Frühlingszwiebeln in die Erde bringen, Nistkästen und Gartengeräte säubern, Gartenmöbel unterstellen und dann auch die Ernte lagern und verarbeiten: Saft und Marmelade kochen, Früchte und Gemüse einkochen, Kuchen  backen zum aufbewahren für den Winter oder um es jetzt schon zu genießen.

Werden Kinder in diesen Prozess lebendig und natürlich miteinbezogen und erleben dabei die Freude und Dankbarkeit der Erwachsenen, so empfinden sie das auch. Sie lernen aber auch die Bedeutung von Reichtum und Zufriedenheit und wie wichtig die Natur, durch dieses unmittelbare Erleben, für ihr Leben ist. Außerdem lernen sie, dass ein verantwortungsvoller Umgang notwendig ist, um die Natur, auch für eine mögliche Ernte im nächsten Jahr, zu erhalten. Dazu kommt, dass sie als Familie gemeinsam Zeit und Freude geteilt haben, mit sinnvollen Tun. Das schafft Bindung, stärkt das Selbstwertgefühl im Kind und ermöglicht Wachstum . Das tut uns allen gut, wärmt unsere Seelen.

So ist es darüberhinaus möglich von dem Reichtum Geschenke herzustellen und bei verschiedensten Anlässen andere Menschen damit zu erfreuen. Auch das Schenken hinterlässt Gefühle der Freude, Dankbarkeit und Schönheit.

Aber auch die Freude eines Waldspaziergangs hinterlässt durch das gemeinsame Unternehmen ein Gefühl mit der Natur verbunden zu sein. Bei so einem „Walderleben“ bekommt die Entdeckungsfreude, die Beobachtungsgabe der Kinder und der Wunsch sich auszuprobieren viele Möglichkeiten. Eltern haben die Aufgabe und die Fähigkeit diese Stimmung herbeizuführen. Und ist es nicht auch ein schönes Gefühl selber mal wieder seine Sinne zu schärfen und Wahrzunehmen, die kühle Herbstluft einzuatmen, unterschiedliche Gerüche wie nasses Holz, Pilze zu riechen, die Färbung des Laubes zu erleben, und vielleicht besonders schöne  Blätter sammeln, um sie zu Hause zu pressen und später damit zu basteln: Grußkarten, Bilder, Laternen… Kastanien, Eicheln und Nüsse  finden und sammeln, Pilze entdecken, vielleicht sogar Tiere beobachten, Sonnenstrahlen, die durch das Herbstlaub oder die Äste des Baumes strahlen…

Diesen Reichtum zu erleben, mitten drin zu sein und dabei Freude oder, wie sagt Astrid Lindgren, Seligkeit, zu fühlen, das ist ein wahres Geschenk für die ganze Familie.

So erfüllt mit seinen Schätzen nach Hause zu kommen und sich wärmen, bei Tee oder Kakao, am Ofen oder auf dem Sofa, im Kerzenschein um das Erlebte nachklingen zu lassen und seine Schätze zu betrachten, wärmt innerlich nach. So kann der Tag dann in Ruhe ausklingen.

Die Winterzeit ist lang und die Gartenarbeit ist irgendwann beendet. Und manchmal möchte man einfach nicht nach draußen. Auch dann gibt es viele Möglichkeiten des schönen sinnvollen gemeinsamen Tuns und Erlebens:

z.B. aus den gesammelten Blättern, Kastanien, Eicheln, Nussschalen… etwas schönes herstellen, Geschenke, Tischdekorationen, Zimmerschmuck. Bei uns waren gebastelte Figuren aus Kastanien und Eicheln beliebt, mit denen man kleine Theaterspiele erfinden konnte.

Plätzchen backen und verzieren, musizieren oder singen, Geschichten vorlesen, Gedichte vorlesen und auswendig lernen, basteln, besonders aus Gold- und Transparentpapier macht es Freude, mit einer auf das Sofa kuscheln, eine Orange schälen und genießen, im Kerzenschein erleben, wie der Raum dunkler wird … das ist ihnen alles bekannt.

Wunderbar wäre es, wenn gerade in dieser stilleren, dunklen Jahreszeit, jeden Tag Raum für gemeinsames, sinnvolles, schönes Tun mit den Kindern möglich wäre. Eine Oase der Schönheit, der Verbindung, des Zeit haben´s, als Kontrast zu einem oft lauten und hektischen, durch den Terminkalender bestimmten  Alltag. Eine Zeit um Zeit zu haben, ohne Eile, mit Geduld und dem Gefühl Sein zu dürfen, von dem Kleinsten bis zum Ältesten. Ihre Kinder werden es lieben und schon bald eigene Wünsche äußern. Und sie als Eltern werden es genießen und spüren, wie gut es ihnen tut, Zeit zu haben, zur Ruhe zu kommen, wie gut ihnen diese wirkliche Verbindung mit ihren Kindern tut. Jeder möchte gesehen werden. Sind sie entspannt, sind es meistens auch ihre Kinder. Für ihre Kinder ist diese Zuwendung ein unglaublicher Schatz, der ihnen ein gutes inneres wachsen voller Vertrauen ermöglicht. Und im Hinblick auf Weihnachten entstehen vielleicht ganz andere Werte, die weit entfernt sind von Konsum, sondern echte Geschenke, die es nirgends zu kaufen gibt, die im Gemeinsamen liegen. In der Verbundenheit, der Dankbarkeit und der Liebe.

Dieses Erbeben wünsche ich Ihnen von Herzen.

Susanne Gau